Geschichte und Informatik

Der didaktische Wert neuer Medien

Mit zunehmender Verbreitung des Internets stellt die Geschichtswissenschaft legitime kritische Fragen zum „Nutzen und Nachteil des Internet für die historische Erkenntnis“ [1]. Verändern sich Geschichtsbilder durch das Internet? Welche Auswirkungen haben Hypertext und neue Möglichkeiten der Visualisierung auf die Geschichtsschreibung? – hat doch das Archivieren und Verwalten von Schriften, Führen von Bibliotheken, Systematisieren, Katalogisieren und Bereitstellen von thematisch geordneten Beständen von Quellen, einschließlich Kritik und Kommentare, sowie das Zusammenführen von Quellen für das wissenschaftliche Arbeiten ein lange Tradition. [2]

Wird dieser traditionsreiche Prozess nun von einer sich mit rasenden Geschwindigkeit ausbreitenden „Wikipedia-Manie“ übergeholt? – Diese schier grenzenlos scheinende „Wissensmaschine“ Wikipedia, die auf dem Weg des „Google-Syndroms“ beinahe auf alle Fragen der Menschheit Antwort bietet [3], löste in der historiographischen Fachwelt eine kategorische Ablehnung aus und wird wegen seiner anonymen Redaktion gescholten. Dennoch ist es Wikipedia in den letzten Jahren gelungen, manch gedruckten Wissenskompendien ein Ende zu bereiten und etablierte sich an dessen Stelle als eine der meist genutzten online-Enzyklopädien. Warum dient Wikipedia heute dem Großteil unserer SchülerInnen zum Lösen von schulischen Aufgabenstellungen in historischen Fragen? – Sein Nutzen liegt ganz einfach in seiner kostengünstigen und zeitsparenden, jederzeit präsenten Verfügbarkeit und raschen Zugriffsmöglichkeit auf „alles Wissen dieser Welt“. – Immer mehr Pädagogen schließen sich insgeheim diesem jungen Trend an und akzeptieren ohne lange zu überprüfen die Methode ihrer SchülerInnen mit Hilfe Wikipedias zu aussagekräftigen Informationen zu gelangen. – Mit der Nutzung des öffentlich zugänglichen Internets soll jedoch wichtige Kriterien des wissenschaftlichen Arbeitens nicht aufgehoben werden. Mit unserem online-Handbuch zum Kinderbuch „Weg von hier…“ soll gezeigt werden, dass es auch bei Nutzung moderner Medien möglich ist, unter Einhaltung wissenschaftlicher Standards die Nach- und Überprüfbarkeit von Quellen und Zitaten beizubehalten. [4]

Die web-basierte Digitalisierung bietet jedoch eine ungeheure neue Chance des Zugangs zu Informationsressourcen. Das Rechechieren in Archiven, Beschreiben, Interpretieren und Kommentieren historiographisch relevanter Quellen war einem relativ kleinen Kreis wissenschaftlichen Personals vorbehalten. Doch gerade diese spannende detektivische Arbeit mit Quellen macht die besondere Lust und Freude am wissenschaftlichen Arbeiten aus. Mit zunehmender Aufbereitung und Archivierung im W.W.W. wird aber auch in Zukunft dieser operationalisierende Prozess als Recherche im Archiv erhalten bleiben, da sich das Bereitstellen von Medien im Internet niemals automatisieren wird.

Von großem Wert ist, dass die im Internet zur Verfügung stehenden Lernobjekte wie kurze Filmsequenzen, thematisch geordnete Fotografien, klassische Archivquellen wie Tageszeitungen der ÖNB, die durch Hyperlinks erreicht werden, Auszüge aus Akten und Chroniken des OÖLA oder AStL oder die zum Lehrausgang animierende Google-Map je nach Lehr- und Lernumgebung individuell eingesetzt werden können und somit von unterschiedlichen Perspektiven aus hinterfragt und beforscht werden. Die hier vorliegende biografische Zeitgeschichte soll aber nicht nur dem Einsatz im Volksschulbereich vorbehalten bleiben. Ihr Mehrwert liegt darin, dass www.weg-von-hier.at ohne Voraussetzung inhaltlicher Kenntnisse des Kinderbuches auch von älteren Schülern und unter Anleitung ihrer Pädagogen genutzt werden kann. [5]

Gleichzeitig soll dieses Kinderbuchprojekt mit seiner online angeschlossenen medialen Aufbereitung anregen, herausfordern und Lust machen diesem Beispiel zu folgen in der Benutzung innovativer technischer Mittel, um zu neuen historischn Erkenntnissen zu gelangen, zu entdecken und zu reflektieren, zu interpretieren, sowie Schlussfolgerungen und neue Ergebnisse wiederum der Vermittlung zu erschließen.


[1] Vgl. Angelika Epple u. Peter Haber, Geschichte und Informatik. Bd. 15 (2004). 6.
[2] Vgl. Angelika Epple, Verlinkt, vernetzt, verführt – verloren? Innovative Kraft und Gefahren der Online-Historiographie. In: ebenda. 18-24.
[3] Vgl. Peter Haber, „Google Syndrom“. Phantasmagorien des historischen Allwissens im World Wide Web. In: ebenda. 73.
[4] Anmerkung: Falls sich Fehler eingeschlichen haben, ersuchen wir um ein konstruktive Kritik.
[5] Vgl. Franz X. Eder u. Eduard Fux, Lernmodelle und Neue Medien. Historisches Lehren und Lernen am Beispiel „Geschichte Online“ (GO). In: Angelika Epple u. Peter Haber, Geschichte und Informatik. Bd. 15 (2004). 174.

Literatur
Angelika Epple u. Peter Haber, Geschichte und Informatik. Vom Nutzen und Nachteil des Internet für die historische Erkenntnis. Version 1.0. Bd. 15 (2004). Zürich 2005.

Link
Verein Geschichte und Informatik (G&I)